Im neuen Jahr Gerümpel auszuräumen ist eine gute Sache. Es reinigt nicht nur das Eigenheim, sondern bekanntlich auch die Seele.
Mist ist der beste Nährboden
Doch kehrt man mit eisernem Besen, tut man manchmal des Guten zu viel: Keller und Dachböden hüten in manchen Kisten, Schachteln und Truhen geheimnisvolle Gegenstände – und eben auch Dinge, bei denen uns das Herz aufgeht. Mist ist bekanntlich der beste Nährboden.

Überraschungen auf dem Speicher
Wenn ich ein Spielzeug unserer Ahnen entdecke, stellt es für mich ein Trouvaille dar. Und das beginnt ja bekanntlich schon bei Vater oder Mutter.;-) Was für ein Fund, wenn man eine der angestaubten Ausgaben von „Heidi“ aus der Bücherkiste hervor kramt, ein aufgequollenes Monopoly-Spiel (Entstehungsdatum 1904) entdeckt oder die erste Barbiepuppe von 1958 aus der Schublade zieht, der irgendein Unbekannter/e, die Haare abgeschnitten hat und damit nicht mehr bei Ebay verkauft werden kann.
Nur mit Kneifzange anfassen
Viele dieser Objekte würden wir allerdings nicht mal mehr mit der Kneifzange anfassen. Schließlich wimmeln in dem Indianerkostüm des Vaters die Motten und das Märchenbuch ist zur Hälfte aufgefressen und vom wem wollen wir gar nicht so genau wissen – aber in naher Zukunft Mausefallen aufstellen.
Ausrangierten Helden bleibt nur der Sperrmüll

Manchmal begegne ich vor den Haustüren dem ausrangierten Held unserer gestrigen und heutigen Kindheit. Ich sehe, wie seine spitze Schnauze eingequetscht zwischen den Speichen eines ausrangierten Fahrrades hervorlugt, den Kopf komplett durchnässt, mit ausgekugelten Arm und aufgeschlitzten Bauch, aus dem die Wolle herausquillt. Dieser Hase, Teddy, Monster, Hund oder Katze wartet auf das Sperrmüllteam, bereit für seine/ ihre letzte Fahrt.
Stofftiere haben eine Seele
Ob ich will oder nicht, der Anblick rührt mich immer zutiefst. Schon allein, weil er/sie lange ihr Dasein als kriegsversehrte Ex-Spielgefährten irgendwo in muffigen Rumpelkammern gefristet haben, bis man sie endgültig aus seinem Leben hinauswarf.
Bei den Japanern, so las ich kürzlich, wäre so eine Behandlung undenkbar! Stattdessen schickt sie ihre Stofftiere in den Urlaub.
Japaner schicken ihre Kuscheltiere in den Urlaub
Durch den Shintoismus, der vorwiegend in Japan praktizierten Religion, spricht man nicht nur Menschen und Tieren, sondern auch Gegenständen eine Seele zu. Das geht so weit, dass man die lieben wollig-weichen Kuschelgefährten über Reiseagenturen auf Traveltours geschickt werden, weil deren japanischer Besitzer keine Urlaubstage mehr opfern kann/will und im Büro sitzt. Der gestrickte Bär oder die glupschäugige Katze senden liebe Urlaubsgrüße plus Selfie von Taj Mahal an die Lieben daheim.
Feierlicher Verabschiedung
Sollten sie doch in die Jahre gekommen sein, sich in Einzelteile aufgelöst und im Seelenleben ihres Herrschen oder Frauchens ausgedient haben, werden sie feierlich dem Ofen übergeben – nicht ohne gebührende Verabschiedung natürlich!
Wer jetzt die Japaner in eine Schublade zwischen Kitsch und „Arme Socke“ wirft, dem sei gesagt, dass auch ein angesehener Literat wie Umberto Eco (Der Autor von „Name der Rose“) einst sein Kuscheltier feierlich den Flammen des elterlichen Herdfeuers übergeben hat.
Magischer Gegenstand um den sich Erinnerungen wie eine Kruste legen
In seiner Glosse über „Angelo Orso“, Angelo, dem Bären, erschienen in dem Buch „Derrick oder die Leidenschaft des Mittelmaß“ im Hanser Verlag, rühmt er seinen einstigen Weggefährten als tapferen Krieger und unerschütterlichen Haudegen in allen Lebenslagen. Und sagt zum Schluss, dass „es hart sei für ein Kind, nicht mehr fast sein ganzes Kinderleben einem einzigen magischen Gegenstand widmen zu können, um den sich Erinnerungen und Gefühle wie eine Kruste zu legen. Als müsste man auf ein Tagebuch verzichten oder in einem Land ohne Denkmäler leben.“
Ehrfurcht vor dem Kuschelgefährten
Deswegen nehme ich in feierlicher Ehrfurcht Abschied von meinen ausrangierten Gefährten und trage meine Erinnerungen bei mir:-.) Hmm … Behalte sie doch bei mir…oder aber, ich schicke sie für mich auf Reisen, wer weiß?

Mir geht es ähnlich, wie den Japanern. Mit meinen Lieblingskuscheltieren spielen heute meine Kinder und mit jedem Tier teile ich auch heute noch manch liebevolle Erinnerung.
..und das Schöne ist, dass die lieben Kuschelbegleiter fleissig neue Erinnerungen produzieren.
Ich habe auch noch meinen Teddy Zuhause. Leider hat er in seinem langen Leben Arme und ein Auge verloren . Ich bringe es einfach nicht über s Herz ihn in das Reich der „tot“ gespielten Teddy s fliegen zu lassen . Auf dem Kleiderschrank überwacht er nun mein 60 jähriges Leben . (Da hat er wenigstens im Alter seine Ruhe ) 😉😊
Ein wirklich schöner Ruhestand. Ich glaube jedoch, dass er noch eine andere Aufgabe hat. Die Erinnerung…er erleichtert beim Anblick die Reise zurück in die eigene Erinnerung. Das schafft der geliebte Teddy noch ganz gut.