Nase voll und trotzdem glücklich. Vom Schnupftabak und seiner Dose

Christoph Kolumbus entdeckte nicht nur Amerika, sondern auch an den Nasen der Ureinwohner ein seltsames Pulver. Er hielt es für so interessant, dass er den Schnupftabak in seine portugiesische Heimat brachte. Der am portugiesischen Hof lebende französische Gesandte Jean Nicot führte es am französischen Hof ein und machte damit Katharina di Medici zur ersten Abhängigen. Die Schwiegermutter Maria Stuarts nutzte das poudre de la reine (Pulver der Königin), um ihren ewigen kranken Sohn Franz II zu heilen. Eine Nase voll dem höllischen Puder – voila – und die oberen Atemwege waren frei.

Gemälde eines Mannes, der Schnupftabak unter Verwendung der Daumen- und Zeigefingermethode konsumiert. public domain via wikipedia

Schnupftabaksdose rettet das Leben von Friedrich II

Man schrieb dem Pulver magische Eigenschaften zu. Es heilte nicht nur Migräne, Pest, Läuse und Brand, sondern auch das Leben. Der bekannte Schnupfer Friedrich der Große, so die Fama, stand im Siebenjährigem Krieg im Felde bei Kunersdorf, als ihn eine feindliche Kugel an der Brust traf. Die Kugel prallte an der Schnupftabaksdose ab, die sich in seiner Brusttasche befand und schenkte dem Preußenkönig das Leben.

Snuffbox_with_portrait_of_Frederick_the_Great_(1712–1786),_King_of_Prussia_MET_ES5701Daniel Baudesson, CC0, via Wikimedia Commons

In Saucen eingelegter Schnupftabak

Friedrich war nicht nur ein ständiger Sniffer, sondern auch ein Sammler kostbarer Schnupftabaksdosen. Den oft in schäbiger, fleckiger Uniform herumlaufende Preußenkönig hätte man leicht für einen Strauchdieb halten können. Aber damit man sich ja nicht vertat, holte er jederzeit aus seinem Uniformrock eine mit dem Edelstein Chrysomas besetzte Tabatiere und schnupfte den wochenlang in Saucen gelegte spanische Tabak.

Tütchen voller Schnupftabak. Aber nicht in Saucen eingelegt;-)snuff-3433808_1280, ©pixabay

Tabatieren aus Edelsteinen

Friedrich der Große betonte in seinem Testament, sich nie staatlicher Gelder bedient zu haben. Tatsächlich aber schuf er aber für die Dinge, die er begehrte eine Art Fond. Dieser Fond ermöglichte es ihm, sich die Kostspieligkeiten wie Schnupftabaksdosen zu leisten. Sein favorisierter Goldschmied Daniel Baudesson (einige seiner Dosen zieren das Metropolitan Museum of Modern Art), schuf u.a. goldene, Brillanten verzierte Kreationen mit Friedrichs Konterfei. Friedrich letzte Dose war im Übrigen eine Holzmaserdose, die sein Kammerdiener Schöning Friedrichs Schwester Amalie nach dessen Tod überreichte.

diese Tabatiere ist nicht von Friedrich dem Großen, sondern steht im Louvre, ©Marion Rissart

Kaiser Wilhelm liebte Schnupftabaksdosen wie sein Idol

Auch Kaiser Wilhelm II sammelte in seinem niederländischen Exil, Haus Doorn, Schnupftabaksdosen. In Anlehnung an sein oben genanntes preußisches Idol, gab es neben den Motiven mit seinen »Hobbies« wie Schiffe oder Segelsport, einige Dosen, die den Frontverlauf des Schlesischen Krieges darstellten.

Ebenfalls ein Tabatieren-Sammler. Kaiser Wilhelm II mit seiner zweiten Frau im holländischen Exil, Haus Doorn. Bundesarchiv_Bild_136-C0805,_Kaiserpaar_im_Haus_Doorn

Schnupfen unter Tage auf Du und Du

Schnupftabak galt aber nicht nur als ein Privileg des Adels, sondern sicherte sich seinen Platz in der Mitte der Gesellschaft. Sniffen war gern genommen in der Feuerpause an der Front (obwohl der Schnupftabak im 2. Weltkrieg abnahm) oder im Bergbau. Unter Tage gab es schon allein deswegen nur Tabakpulver, weil die Brandgefahr zu hoch war. Eine kurze Runde Schnupfen mit seinem Kumpel oder Chef auf Du und Du, lockerte die Hierarchie, förderte die Motivation und den Zusammenhalt.

Schnupftabakflasche aus Steingut_ Perlesreuter Schmalzler by JNM

Peer Steinbrück ist ein Amateur in Sachen Sniffen

Auch Politiker snifften, wann es für sie politisch opportun erschien. Während Edmund Stoiber den Schnupftabak vor dem EU-Verbot rettete, zog Franz Müntefering das braune Pulver bei den Ruhrfestspielen über seinen Handrücken durch die Nase. Peer Steinbrück in Bergmannskluft, träufelte sich bei einem Termin in Hamm ebenfalls das Pulver auf die rechte Hand. Ein Amateur in Sachen Schnupfen, denn Kenner nehmen immer die Linke.

SchnupfendeDamen Louis-Léopold Boilly, Public domain, via Wikimedia Commons

Helmut Schmidts menthole Liebe beginnt im Bergbau

Übrigens: Der Schnupftabak ist auch Mittler in Sachen großer Liebe. Unser Alt Bundeskanzler Helmut Schmidt lernte nicht nur das Sniffen von den Kumpels kennen, sondern einen Geschmack, von dem er Zeit seines Lebens nicht mehr loskam. Der in Deutschland hergestellte Snuff ward immer mit Menthol versehen. Schmidt behielt zwar das Schnupfen bei. Da aber die Kippen mehr hergaben, er aber den Menthol-Geschmack nicht missen wollte, deckte er sich fürstlich mit Zigaretten Marke Reyno Menthol ein – und bescherte der Zigarettenfirma ungeahnte Umsätze

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Römische Latrine ohne Tamponautomat

Irgendwie komme ich von der Antike nicht los. Momentan interessiert mich die sogenannte Latrina Publica, die öffentliche römische Toilette. Von wegen stilles Örtchen; dort ging es mitunter zu wie auf einer Toilette an Karneval in der Düsseldorfer Altstadt. In gelöster Atmosphäre brodelten nicht nur die Gerüche, sondern auch die Gerüchte. Man traf Bekannte und Freunde, die man länger nicht gesehen hatte oder immer zu regelmäßiger Uhrzeit traf, weil man/frau die gleiche Verdauung besaß wieder der andere Klogänger.

Antikes_WC in Athen, ©wikipedia

Wie die Hühner auf der Stange

Wenn man das Innere der römischen Gesellschaft erforschen will, muss ein Wissenschaftler in deren Tiefen bohren und das sind die Kloaken-Roms. Ein besonderes Kleinod lässt Archäologen-Herzen höherschlagen und das sind die Latrinen unter dem Palatin. Eifrig maßen sie die Sitzhöhe (43 cm) und den Abstand der aus Stein gehauen Löcher zueinander. Und stellten fest: In einer Entfernung von 56 cm hockten die Menschen ohne Trennwand nebeneinander, wie die Hühner auf der Stange. Unter ihnen floss ein Bächlein mit den Fäkalien in den Abwasserkanal. Vor den Steinlöchern befand sich eine mit Wasser gefüllte Rille, wo die Römer den am Stock befestigten Schwamm reinigen konnten. Den Schwamm benutzten sie dazu, um sich den Hintern richtig zu wischen. Wann und ob dieser ausgewechselt wurde, bleibt ein ewiges Geheimnis, und ob jeder seinen eigenen Schwamm zur Hand hatte, wenn nötig, bleibt unwahrscheinlich. Klopapier produzierte Joseph Gayetty bekanntlich erst um 1857.

Xylospongium. Nachgebauter römischer Toilettenschwamm, ©Dickson. Herdemerten

Schnorren auf dem Klo

Dass Menschen auf dem Lokus gern reden, das weiß ich aufgrund eigener Erfahrung in Gemeinschaftsklos. (Es war noch nicht die Zeit, wo man allein mit dem Handy auf dem Klo saß). Allerdings gab es in Rom einige Personen, die dem Gestank, Getier und Keimen trotzten und die öffentlichen Toiletten nicht zum eigentlichen Zweck aufsuchten. Der Dichter Martial berichtete von einem Mann namens Vaccera, der stundenlang auf dem Klo herumlungerte. Nicht um zu spannen, sondern um Bekannte zu treffen. Warum? Martial brachte es auf den Punkt.: »Cenaturit Vaccera, non caccaturit!« (Essen möchte Vaccera, nicht kacken) Vaccera also hoffte auf Dinnereinladungen, natürlich für lau.

Römische Garum Fabrik, ©Iguil Wikipedia

Fischbandwurm im römischen Darm

Apropos Keime: Es gibt ja immer das Gesetz der Masse. Wenn alle sie haben, fällts nicht auf und es wird normal. Die Römer litten unter dem Darmparasiten, insbesondere dem Fischbandwurm. Schuld daran war das Garum. Die aus Fisch in Salzlake gewonnene Flüssigkeit mundete dem römischen Gaumen und wurde für alle Speisen verwendet. Gekoppelt mit der stinkenden Toilette (Highlight für Keime) und Düngung der Fäkalien auf die Felder, gelangten der Krankheitserreger über Obst und Gemüse wieder zurück in den römischen Magen.

Kreislauf des Fischbandwurm, ©Roman Kuchta, Marcus Enrique Serrano-Martínez, and Tomas Scholz

Tamponautomat auf dem Herrenklo

Kürzlich las ich noch einmal über Streit im Hygienebereich des Stuttgarter Rathauses. Quell des Ärgernisses ist der im Zuge des Genderns der dort aufgestellte Tamponspender auf der Herrentoilette zur Gleichberechtigung von Transmenschen. Oberbürgermeister Frank Nopper war darüber so erbost, dass er ein Foto von dem Menstruationsbehälter knipste und auf Instagramm postete. CDU-Fraktionschef Alexander Klotz zeterte via BILD Zeitung etwas vom landesweitem Gespött und das der Tamponbehälter auf dem Männerklo, im Gegensatz zu den Damen, ständig leer sei. Statistisch gesehen ist der Bedarf Tampons nach bei den Männern also größer.

Gleichberechtigung auf dem römischen Klo

Interessanterweise gab es bei den Römern auf den Latrinen keine Geschlechtertrennung. Ein jeder, egal welchen Geschlechts, setzte sich auf die steinerne Klobrille, tat seinen/ihren Job und ging seiner/ihrer Wege. Gleichberechtigung total. Auch ohne Tamponbehälter.

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Lagerfeuer Lesung: Kulturgeschichten rund ums Weihnachtsfest

Was braucht`s denn mehr als einfach Zuhören?

Manchmal braucht es keine Effekte, sondern nur sitzen und lauschen bei Kerzenschein. Das archaische Wohl in der oft beschworenen Lagerfeuerromantik trifft des Pudels Kern. Als Autorin des Leiermann-Verlages reise ich mit meinen Zuhörern durch die weihnachtlichen Kulturgeschichten Europas.

Kulturgeschichten, geprägt von mehreren Generationen:-)

Im Konversationscafe im Bonner Migrapolis-Haus las ich nicht nur über Erich Kästners „Fliegende Klassenzimmer“, sondern entführte meine Zuhörer in die  Sagen umwobenen „Rauhnächte“ nach der Weihnachtszeit bis hin zum 6. Januar.

In dieser Zeit stehen wir ein offenes Ohr gegenüber den Geistern und den Seelen der Verstorbenen:-) Meine Zuhörer fielen ein und erzählten von Mythen umwobenen Legenden aus aller Herren Länder.

Leiermann Kollegen bei ihrer Lesung im Zeughaus der Reiss-Engelhorn Museen in Mannheim. Von links nach rechts: Anja Weinberger, Christiane Wilms, Raimund Gründler, ©Christiane Wilms

Währenddessen waren meine Leiermann-Kollegen Anja Weinberger, Christiane Wilms und Raimund Gründler, der Kurator des Lese Zeichens Mannheims nicht untätig. Am 2. Adventssonntag, in pittoresker Atmosphäre im Zeughaus der Reiss-Engelhorn Museen, durchstreifte Raimund Gründler mit seinem Publikum den glorreichen Feldzug des Lebkuchens, Anja Weinberger erzählte Geschichten rund um Weihnachtslieder und Christiane Wilms stellte in ihrem Beitrag die durchaus kritische Frage: wieviel Weihnachten darfs den sein?“

Die Flötistin Anja Weinberger untermalt die Lesung mit ihrem Instrument, ©Christiane Wilms

Friedhof als Gemüseladen? Warum Berliner Ruhestätten mögen.

Ein himmlisch-irdischer Acker zwischen zwei Orten Berlins (Greifswalderstr. bzw. Prenzlauer Allee) inmitten der permanenten Rushhour von Autos, Straßenbahnen, dem steten Fluss von Tourist und Einwohner auf dem Asphalt. Dieses Stück Erde ist weder ein Park noch ein Cluster aus Boutiquen, Shops, Fresstempel oder Touristenmeile. Hier ist die Rede von einem Friedhof am Puls unserer Bundeshauptstadt: Nämlich der Kirchhof in der evangelischen St. Georgen-Parodialgemeinde am Prenzlauer Berg.

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