Ahnenforschung – doch nur ein Zufallsprodukt?

           

Während der Fahndung nach Vorfahren ;-), kommt mir unwillkürlich manchmal der Name der Rose von Umberto Eco in den Sinn. Das mag auch an der grandiosen Verfilmung liegen, die vor einigen Tagen an Weihnachten lief. In erster Linie liegt es aber an dem Roman selbst. Dort kehrt ein alter Adson von Melk am Ende an den Ort zurück, der ihn in seiner Jugend so sehr geprägt hat.

Der Autor des Romans „Name der Rose Umberto Eco, © Bogaerts, Rob Anefo, CC0, via Wikimedia Commons

Die Abtei existiert nicht mehr. Das Aedificium, ursprünglich ein gewaltiges Monument an (geheimen) Wissen beherbergend, besteht nur noch aus kümmerlichen Ruinen, die ihn an heidnische Monumente erinnern. Dennoch kann es der alte Adson nicht lassen, dort herumzustöbern. Von seinem alten Lehrmeister William von Baskerville inspiriert, hofft er noch auf alte Schriftstücke, die das Feuer nicht vernichtet hat. In der Tat findet er einige Bruchstücke dessen, was die Bibliothek einst ausmachte. In einem Schrank des Skriptoriums lagern noch Pergamentfetzen – eine karge Beute längst vergangener Pracht.

Sah die Abtei so nach dem Brand aus?, ©pexels-seb-64768

Dennoch macht er sich nicht nur daran, die Überbleibsel zu sammeln, sondern auch zu studieren. Ich sehe ihn vor mir, wie er, seine Schnipsel vor sich ausbreitend, daran macht, mit dem Augenglas seines alten Meisters, zu untersuchen und sie, nach jahrelangen Mühen, zu einem Puzzle zusammen zu legen. Wenn es denn klappt. In Bezug auf die Ahnenforschung fühlen wir uns manchmal wie Adson von Melk, besonders wenn wir wissen, dass es an einem Punkt nicht mehr weitergeht.

Pergamentrolle wie in Name der Rose – oder in Hogwarts?, ©2049_-Byzantine_Museum,_AthensParchement_scroll,_13th_century-_Photo_by_Giovanni_Dall’Orto,_Nov_12 Attribution, via Wikimedia Commons

In meinem Fall weiß ich genau, dass ich in meinem Hauptzweig aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr über den vierfachen Urgroßvater hinauskommen werde. Und das hängt von einigen Faktoren ab. Zum einen stammt besagter Ahnherr nicht aus Gerresheim, weil sein Name auf französischen, bzw. belgischen Ursprung schließen lässt. Er heiratete recht spät; mit 46 Jahren ehelichte er eine 19-jährige und wurde ein später Vater seiner ersten Tochter. Zehn Kinder sollten folgen.

Taufeintrag aus dem Kirchenbuch im Stadtarchiv Düsseldorf, ©Marion Rissart

Aber wann ist er gestorben? Dieses Geheimnis ließ mich echte Nerven kosten. Ich dachte daran, dass in seiner Sterbeurkunde es ein Hinweis auf seine Eltern geben würde. Aber sein Name war blieb im Düsseldorfer Stadtarchiv wie vom Erdboden verschluckt. Der Monheimer Stadtarchivar vermutete sogar, dass der Ahnherr in seiner Eigenschaft als Schäfer an einem anderen Ort das Zeitliche gesegnet hatte (denn Schäfer wanderten weit, wie er mir grinsend versicherte) – und ich bat darum, dass eben dieser Archivar unrecht hatte😉

Wer rennt die wohl gerne die Wendeltreppel der Bibliothek herunter?,© pexels-pixabay-256477

Also wieder zurück zu den Dokumenten, die ich besaß. Akribisch wie Adson durchforstete ich alte Kopien… nicht nur von meinem direkten Vorfahren, sondern auch von den Anverwandten. Und wurde irgendwann fündig. Einer seiner Söhne heiratete 1820 und, siehe da, fand ich doch auf der Heiratsurkunde die ungelenke, daher krakelige Unterschrift des Vierfach-Opas. Ergo konnte ich das Sterbedatum schon ein bisschen eingrenzen und da die Hochzeit 1820 stattfand, es musste auch dank napoleonischen Verwaltungssystems eine Sterbeurkunde geben. Also ging die Suche weiter.

Skriptorium eines ehemaligen Klosters,© 1024px-Marmagne_Abtei_Fontenay_Scriptorium_Innen_4Zairon, CC BY-SA 4.0 httpscreativecommons.orglicensesby-sa4.0, via Wikimedia Commons

Es heißt ja immer »Wer suchet, der findet«. Ich aber sage, wer nicht mehr sucht, der findet erst recht. Denn so ist es bei mir: Wegen einer anderen Sache stieß ich im Düsseldorfer Stadtarchiv auf seine Sterbeurkunde mit etwas entstelltem Namen (Denkt immer daran, eure Familiennamen können groteske Weise entstellt werden;-))

Genügend Fundstücke für den Ahnenforscher,© pexels-guilherme-rossi-2553427

Als ich in meiner ersten Freude mich über den Fund beugte (ohne Augengläser), war ich enttäuscht. Denn dieses Dokument gab nichts von weiteren Vorfahren her; ich blieb und bleibe genauso schlau wie vorher. Das hängt zum einen daran, dass es wohl auch zu einfach gewesen wäre. Und zweitens liegt es an dem Alter des Verstorbenen. Besagter Ahnherr erreichte ein wahrhaft biblisches Alter, starb er doch im Alter von 96 Jahren. Kein Wunder, dass sich keiner mehr an seine Eltern erinnern konnte. Wer so alt geworden ist, wie die Zeit, der ist quasi schon immer da.

Die Stiftsbibliothek von Admont- ein Traum für jeden Forscher, ©1024px-Admont_Bib_10 Use_Fb78, CC BY-SA 2.0 DE via Wikimedia Commons

In meiner Enttäuschung musste ich an den guten Adson denken. Weise geworden durch die Unbill und Freuden der Zeit, erklärte er gegen Ende des Romans, dass die Überreste der Schnipsel eine Art Mini-Bibliothek darstellten, deren Vollendung er nie erreichen werden. Genau wie die Familienforschung ein Mini-Archiv der eigenen Herkunft ist, dessen Lücken wir nie ganz füllen werden.

Adson sagt aber auch, dass seine Sammlung keine Botschaft enthält, sondern ein Produkt des Zufalls sei. Genauso, wie meine Dokumente zufällig doch in irgendwelchen Archiven lagern (und nicht etwa bei einem Brand vernichtet wurden, wie z.B. wie Wehrstammrollen aus dem 1. Weltkrieg), geht es zufällig auch einfach nicht mehr weiter. Es geht ihm bei seiner Arbeit um die Freude des Sammelns an sich. Und die Genugtuung darüber, dass manchmal ein Puzzlestein zum anderen gefügt werden kann.

Eine vollständige Seite wäre adsons Traum, ©512px-Meister_der_Wenzel-Werkstatt_002 Meister der Wenzel-Werkstatt, Public domain, via Wikimedia Commons

                

       Telle et lege, sagt Adson, neben seiner Frage, wer denn die Rose eigentlich sei.

             (Nimm und lies). So einfach ist das.  

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