Wie der Kolonialwarenladen zum Discounter wurde

Wer von uns weiß, dass EDEKA eigentlich „Einkaufgenossenschaft deutscher Kolonialwarenhändler“ heißt? Niemand? Dachte ich mir. Denn ich wusste es bis dato auch nicht.

EDEKA und Kaisers Kaffee gegründet in der Kaiserzeit

Aber EDEKA und Kaisers Kaffeegesellschaft entstanden während der Kaiserzeit (EDEKA 1912, Kaisers schon 1897) als gegründete Einkaufsgenossenschaften in den Städten, um den dort ansteigenden Konsumbedarf zu stillen. REWE kam erst 1921 hinzu.

Schlaraffenland für Körper, Geist und Seele

Allerdings: Angefangen hatte alles schon ein wenig vorher. Der sogenannten Kolonialwarenladen im 19. Jahrhundert bot das an, was der Name verspricht: Waren aus den damaligen deutschen Kolonien, vornehmlich aus Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) und Deutsch-Ostwestafrika, dem heutigen Tansania, Burundi und Ruanda.

Ein Hauch von 1001 und eine Nacht inmitten des tristen Alltags. Wohlgerüche aus aller Herren Länder, gerösteter Kaffee und Kisten voller Tee – ein Schlaraffenland für Körper, Geist und Seele!

Genuss von 1001 und eine Nacht

Im Sortiment befand sich das, was die Deutschen bis dahin selten oder gar nicht zu Gesicht bekommen oder gar geschmeckt hatten. Kaffee, Zucker, Reis und Tabak waren Dinge, die das Herz begehrte und die durch die günstigen Einführzölle für die Allgemeinheit einigermaßen erschwinglich blieben. Daneben boten diese Läden auch „normale“ Dinge wie Seife, Waschmittel,  über Hering und Salzgurken bis hin zu Haushaltsgeräte.

Not macht erfinderisch

Als nach dem ersten Weltkrieg die Deutschen gemäß dem Versailler Vertrag die Kolonien verloren, änderte sich auch das Sortiment. Statt Kaffee von den ostafrikanischen Plantagen trank man nun den „Kathreiner Malzkaffee“ und kaufte ein für den alltäglichen Bedarf. 

Kolonialwarengeschäft

Begehrte Klatschecken

Aus den ehemaligen Kolonialwaren entwickelte sich mehr und mehr der Tante-Emma-Laden (oder auch Gemischtwarenladen), den einige von uns  noch kennen und schätzen lernten.  Denn diese Läden boten nicht nur Nahrungsmittel an, sondern bildeten im Viertel auch den Umschlagsplatz für Nachrichten aller Art.

Ära der Discounter beginnt

Die Selbstbedienungsläden, die ab Mitte der 50 er Jahre entstanden,  läuteten eine neue Ära ein. Zwar änderte sich das deutsche Einkaufsverhalten nur langsam, aber ab Mitte der 60er Jahre (dank ALDI und Co.) gab es auch da kein Halten mehr. Zu verführerisch waren die kleiner, aber dafür günstigere Produktpalette, die sich jetzt jedermann leisten konnte. Das Zeitalter der Discounter hatte nun endgültig über den des Tante-Emma-Ladens gesiegt.

Vom Discounter zum Konsumtempel

Zwar konnten die Klatschtanten ihre Nase immer noch in die Angelegenheiten anderer Menschen stecken, aber dazu mussten sie sich ab Mitte der 70er musste sie es auf einer grünen Wiese außerhalb der Stadt begeben. Denn dorthin wurden die immer gigantischer werdenden Einkaufs“läden“ ausgelagert, die wiederrum mit dem Auto bequem zu erreichen waren.

Tante Emma

Sehnsucht nach dem kleinen Kaufmannsladen

Heute stellen diese Konsumtempel innerhalb ihres Hauses einen psychologisch ausgeklügelten Hindernislauf zwischen raffinert beleuchten Obst-und Gemüsetheken, Brotshops und Fleisch-und Wursttheken dar.

Geblieben ist die Sehnsucht nach den Gerüchen und das Staunen über seltene Produkte, die sich in den alten altmodischen kindlichen Kaufmannsläden widerspiegelt.  Hier darf wieder Kind sein, seine Schütten, Laden und Säcke mit exotischen Früchten, Eiern und Teigwaren füllen, Schwätzchen halten und seine kleinen Kunden samtig weiche Schokolade zum Probieren anbieten.

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