Ich las diesen Satz in einer Ausstellung von der belgischen Fotografin Bieke Depoorter. Sie veröffentlichte 2019 im Forum NRW Düsseldorf ihre akribischen Recherchen über das Leben des verrückten Michael aus Portland. Nachdem er ihr seine Koffer voll wirrer Skripte hinterlassen hatte, verschwand er aus ihrem Leben – und blieb es bis heute.
Und je energischer sie ihn suchte, desto mehr verlor sie ihn. Ein Polizist, mit dem sie darüber sprach, tröstete sie mit dem Satz, dass der Mensch dorthin geweht wird, wohin der Wind ihn treibt.
Dieser Satz ließ mich nicht mehr los.
Woran es lag, lernte ich erst später verstehen. Wie dieser Michael, so waren meine Vorfahren keine fest verankerten Schaufensterpuppen, sondern wurden ebenfalls weggeweht. Manchmal nur ein paar Kilometer, manchmal auch in die Ferne. Manchmal haben sie genug Spuren gelegt, dass ich in ihre Stapfen treten und den Weg mitgehen konnte. Manchmal waren sie wie dieser Michael und legten erst gar keine Fährte: weil sie auch kein Bewusstsein dafür hatten, dass sich irgendjemand zweihundert Jahre später für sie interessieren könnte.
Fortgewehte Spuren- hingeworfene Krumen
Wie Bieke Depoorter versuche ich, das Leben gewisser Ahnen zu nachzuzeichnen. Ich schaue, ob jemand sein Leben in Namen, Höfe, Urkunden oder sonstige Hinweise eingenordet hat. Oftmals begnüge ich mich hingeworfenen Papierkrumen. Und manchmal bleibt nur eine gewisse Vermutung und wundere mich, warum mich manches Schicksal und das er einen Schlagfuß hat.
Wie Depoorter ziehen mich die ungeklärten Fragen ihres Lebens an. Was für eine Sehnsucht trieb sie an? Was veranlasste sie, eine neue Heimat zu suchen. Welche Leere hinterließen sie in ihren Heimatorten? Und wenn ja- war es ihnen bewusst?
Was trieb sie an?
Die Fotografin erarbeitete zusammen mit ihrem Bruder, ein Gesichtserkennungsprogramm, um Michael zu finden. Doch ohne Erfolg. Und so wie sie konzipiere ich zwar keine Ausstellung.
Lebensschnipsel
Aber einen Blog aus Schnipsel von von kleinen Lebenszeichen ihrer Existenz. Dinge, wie die niederrheinische Landschaft, die meine Vorfahren über Jahrhunderte prägten. Inwieweit sind die Erinnerungen auf mich übergegangen?
Wird jemand meinen Schnipseln nachspüren? Und wann?
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