Alle Vorbilder haben innerhalb Generationen ihre Zeit. Und oft überdauern auch diese. Was bei manchen Vorbildern wirklich erstaunt, da bis heute keiner deren Daseinsberechtigung erklären. Oder jedenfalls nicht genau.

Idole sind Phänomene, das keiner so recht erklären kann
Zum Beispiel gibt es Facebookgruppen, die Enid Blytons „5 Freunde“ zu ihren Idolen auserkoren haben. Schallplatten werden aus ihren Hüllen ziehen, auf den Plattenteller gelegt, um damit den Feierabend mit den Stimmen der eigenen Jugend einzuläuten.
5 Freunde durften sich den Hals brechen, mussten sich aber vor dem Essen die Hände waschen
Die Abenteuer dieser englischen Kinder versetzte mindestens zwei Generationen Frühleser in Aufregung. Diese Gören waren so eine Art Teenager-James Bond. Sie durften sich jederzeit ihre Hälse brechen, was keinen ihrer Erziehungsberechtigten einen Deut scherte. Sie hangelten sich von Türmen herab, wurden entführt, gefesselt und ertrugen Schläge ihrer Peiniger mit stoischer Gelassenheit. Gleichzeit liefen sie herum wie Miniatur-Erwachsene; ewig vernünftig und altklug schwafelnd. Gleichzeitig wagten sie es nicht, mit ungewaschenen Händen eine Minute zu spät zum Essen zu erscheinen.




Winnetou, der indigene Edelmann
Bei einem anderen Vorbild ist dessen Funktion ganz klar. Bis heute leuchten die junggebliebenen Kinderaugen und besingen die vorbildliche Gesinnung des „roten“ Edelmannes. Die Rede ist hier von Karl Mays Apachen-Häuptling Winnetou. Der französische Schauspieler Pierre Brice bleibt der Ur-Winnetou, ein Original, dem die nachfolgenden und -eifernden Winnetous nicht das Wasser reichen konnten.
Old Shatterhands Blutsbuddy und Lebensretter
Pierre Brice hatte zunächst von Apachen-Häuptling keine Ahnung; genauso wenig wie Karl May, der ihn schuf. May speiste seine Figurenideen aus den Reiseberichten, die die Phantasie des Radebeulers speisten, bis er irgendwann tatsächlich die USA bereiste. Alles entwickelte sich vorher aus dem Hören-Sagen und Karl May schuf sich, ähnlich wie Tolkien, seine eigene Welt. In dieser Sphäre weilten die seine bekanntesten Figuren wie Winnetou, Sohn des Häuptlings Intschu tschuna, mit seinem Pferd „Iltschi“. Er rettete seinen Blutsbuddy und Beinahe-Schwager Old Shatterhand (er war mit Winnetous Schwester Nscho-tschi verlobt), alias Kara Ben Nemsi, das Leben, in dem er sich heldenhaft in dessen Schusslinie warf.
Bei Winnetous Tod weinte Ex-Grünen Chefin bittere Tränen
Der Schauspieler Rik Battaglia, der Winnetous Mörder spielte, erhielt daraufhin Morddrohungen, weil viele Zuschauer den grausamen Tod ihres Idols nicht ertragen konnten. Übrigens soll Claudia Roth, einst unsere Ex-Grünen Chefin und ehemalige Vize-Präsidentin des Bundestages, daraufhin ganze Nächte in ihrem Bett durchgeheult haben. Einfach, weil es Winnetou nicht mehr gab.
Warum jedes Mädchen wollte aussehen wie Nscho-Tschi
Auch ich war bei dessen Tod empört und entsetzt. Genau wie bei seiner Schwester. Zwar habe ich als Kind nicht genau kapiert, wer wen befehdete, aber aussehen wie Nscho-Tschi wollte ich wie alle anderen Mädchen schon. Vor allem wegen der Gretelzöpfe und dem blauen Stirnband.
Winnetous Sterbeszene gelang keinem so gut wie uns Nachbarskinder
Als sie dann die Kugel des skrupellosen Santers traf (Mario Adorf, der diese Rolle verkörperte, wurde ebenfalls mit Acht und Bann belegt) spielten wir Kinder die Szene der Aufbewahrung auf unserem Spielplatz nach. Überhaupt hatten wir eine Vorliebe für das Dahinscheiden, fällt mir im Nachhinein auf. Denn als in dem Film Winnetou III der tapfere Apachenhäuptling zusammenbricht, fehlte uns nur die zu Tränen rührende Musik, sonst stand die Sterbeszene auf dem Spielplatz dem Film in nichts nach.
Auch unsere Seelen waren bereit, mit Winnetou zu gehen
Ich erinnere mich, dass Winnetou dabei irgendetwas von Glockenläuten murmelte. Aber vielleicht weilte er schon in anderen Sphären und ich bildete es mir nur ein. Denn der Karl-May Experte Michael Petzel weiß es besser. Die Glocken von Santa Fe läuteten zu seinen letzten Worten: „Winnetous Seele muss gehen. Winnetou ist bereit. Leb wohl, mein treuer, mein…“

Kommentar verfassen