Lächelnd auf seine eigene Leiche schauen oder schlumpfig in des Schneiders Gasse.

Eine Kreuzung aus Alfred E. Neumann, dem Maskottchen der Satirezeitschrift MAD, und einem asketischen Yogi ziert mit gekreuzten Beinen als Statue die Schneider-Wibbel-Gasse in der Düsseldorfer Altstadt. Das bronzene Männlein mit den von Touristen blankgeriebenen Ellbogen und Knien ist Namensgeber dieser Gasse.  Und zugleich Düsseldorfs Patron für Pfiffigkeit und rheinische Augenzwinkerei, was schon sein schlumpfiges Lächeln bezeugt. (Eventuelle daraus ergebenen Ähnlichkeiten mit prominenten Politikern sind rein zufällig;-)) Außerdem gibt es den Schneider-Wibbel schon seit über 100 Jahren, wenn auch als Figur eines Theaterstücks von Hans Müller-Schlösser.

Trotz Majestätsbeleidigung keine Lust auf Knast

Die Geschichte ist schnell erzählt.  Schneidermeister Wibbel beleidigt während der französischen Besatzungszeit Napoleon. Auf Majestätsbeleidung steht bekanntlich Haftstrafe und auf die hat Wibbel nun überhaupt keine Lust. Er beschwatzt stattdessen seinen Geselle Zimpel für ihn in den Knast zu gehen. Pech für das Schneiderlein, dass der arme Zimpel im Gefängnis stirbt und als sein Selbst beerdigt wird. Im Grunde ist Wibbel jetzt gar nicht mehr existent. Und nun?

Theoretisch tot, faktisch ist jedoch alles möglich

Aber Wibbel weiß auch hier die Lösung. Ungerührt schaut er seiner eigenen Beerdigung zu, („wat bin ich doch ne schöne Leich“) kehrt als sein eigener Zwillingsbruder zurück, heiratet seine Frau erneut (erstaunlich, dass die ihn nach der Aktion überhaupt noch will). Und wartet auf das Ende der Besatzungszeit, um sein wahres Ich wieder zu zeigen.

Die Gasse diente als Einkaufpassage

Während das Stück 1913 im Schauspielhaus uraufgeführt wurde, ist die Gasse dagegen weitaus jünger. Vor dem Krieg war die knapp 100 Meter lange Straße die Einkaufspassage des Warenhauses Hartochs und diente damals wie heute als „Durchgang“ zwischen Bolker – bzw. Flingerstraße. Das 1905 im Jugendstil erbaute Warenhaus wurde im zweiten Weltkrieg komplett zerstört. 1957 entstand auf Initiative des Kinobesitzer Röder, der ein Faible für verfilmte Geschichten hatte, die „Schneider-Wibbel-Gasse“. Er ließ nicht nur die Statue am Schneider-Wibbel-Haus anbringen, sondern auch eine Spieluhr. An einer Häuserwand, pünktlich wie ein Maurer, schwingt der Wibbel zwischen 11 und 18 Uhr im zwei Stunden Takt seine Nähnadel bei einsetzender Melodie wie ein Tambourmajor seinen Küs.    

Spanische Kulinarik in der Heizpilzgasse

Übrigens: In dieser kleinen Gasse befindet sich auch geballte spanische Kulinarik. Unzählige spanische Restaurant Anfang der Achtzigerjahre hier angesiedelt. (Böse Zungen reden auch hier von der „Heizpilzgasse“). Auch ein Kino existiert noch. Die Geschichte über das Theaterstück haben viele allerdings nicht mehr auf dem Schirm. Geblieben ist allerdings das Reiben an des Schneiders Bart, Knien und Ellbogen, immer nach dem Motto: „Streichle den Wibbel ein kleines Stück und du wirst sehen, er bringt dir Glück.“ Und was macht er? Wieder nur dieses schlumpfige Lächeln.

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