Der frühe Vogel fängt den Wurm, heißt es ein Sprichwort. Und impliziert, dass der notorische Frühaufsteher morgens am ehesten fette Beute macht, während der Langschläfer (und Faule) sich mit den Krumen begnügen muss.
Aber hier geht es nicht um preußische Disziplin, mit dem ersten Hahnenschrei aus den Federn zu hüpfen. Sondern darum, was Mann unter einer gepflegten Freizeitgestaltung am Sonntagvormittag verstand. Wovon wir hier sprechen? Ist doch klar – der Frühschoppen.

Geselligkeit in zünftiger Vormittags-Runde
Während heute das sonntägliche Workout-Programm angesagt ist, gehörten die Stunden zwischen Frühstück und Mittagessen dem Gang in die Kneipe an. Dort war bei einem frischgezapften Bier Geselligkeit in zünftiger Runde angesagt. Teils als zwangloses Miteinander, teils als Stammtisch pilgerten sich die Herren nach dem Kirchgang (die Betonung liegt auf nach) ins benachbarte Wirtshaus um zwei Leidenschaften zu frönen: Das Reden mit gleichgesinnten Gleichgeschlechtlichen und das Biertrinkens. Beides ließ sich bestens kombinieren und war bis in die hohen 70ern eine feste Institution in der Männerwelt.
Rudimentäres Einrichtungskonzept
Die mit Holzpaneelen verzierten Wände, die auch als Raumteiler dienten, blieben ohne weiteren Schmuck. Ein schwerer Wollvorhang hing direkt hinter der Eingangstür, um den Zigarrenqualm drinnen bzw. die frische Luft draußen zu halten. Wenn der Wirt gut drauf war, zierten einige Postkarten seiner Stammgäste aus Rimini, Kufstein oder Grömnitz den Ausschank. Das Höchste der Gefühle neben dem Flipperautomaten (schon sehr modern) für ein raffiniertes Interieur bildete das in einer Kneipenecke hängende Sparfach. Ein mit nummerierten Schlitzen ausgestatteter Kasten diente dem Zweck des Vereinssparens. Eben jene Gäste, die in jener Kneipe ihren Stammtisch hatten, fütterten ein Jahr lang ihr „ Kneipensparschwein“, um am Ende des Jahres Kassensturz zu machen.
Quatschen und Trinken
Die funktional mit Tisch und Tresen ausgestattete die rheinische Kneipe erwies sich auf den ersten Blick als nüchterner Ort. Dort hatte der Mann das zu tun, was er sollte: nämlich Quatschen und Bier trinken. Gereicht von der die obersten Autorität hinter der Theke: der (männliche) Wirt. Frauen waren entweder selbst Wirt (und damit irgendwie auch ein männliches- oder zumindest Zwitterwesen;-)) oder wurden als Bedienung geduldet.
Und wenn der Mann mit seiner Frau in die Kneipe ging, so setzte er sich mit niemals auf einen Barhocker an Theke. Sondern ließ sich mit Frau und Kind an den blanken Kneipentisch nieder, wo als einziger Schmuck ein Aschenbecher stand, der von der Größe und Schwere auch als Mordwaffe durchgehen konnte. Dann verließ der Wirt seinen angestammten Thron hinter dem Tresen, eilte zu dem Tisch, schoss Bierdeckel nach allen Seiten ab, um anschließend Bier und Limo darauf zu knallen.



Bierbegleitende Speisen als ordentliche Grundlage
Um nicht schon sturzbetrunken zum Mittagessen nach Hause zu wanken, bot die Eckkneipe sogenannte bierbegleitende Speisen an. Zwischen Kotelett, Frikadelle, sauren Gurken und aufgeplatzter Bockwurst stach das Solei hervor, das in einem Glas auf dem Tresen dem Frühschopper als ordentliche Magen-Grundlage angeboten wurde.
Solei -Revival für die Hartgesottenen
Die Soleier sind hartgekochte Eier, die eine graue Vorzeit lang in einer Salzlake ruhen müssen, um dann von einem Frühschopper gepellt und vorsichtig halbiert zu werden. Kenner entfernen das harte Dotter, um die Kuhle mit Öl, Pfeffern und Essig zu füllen. Hardcore Fans ziehen die stets griffbereite Maggieflasche vor. Das Dotter hingegen bekommt einen dicken Klecks Senf an, bevor es mit einem Happs verschlungen wird.
Feiern geht auch in der kargsten Kneipe
Im Gegensatz zu heute mit den Bistros, Bars und Cafes nebst schillernden Mix-Getränken, raffinierter Speisekarte und Event-Charakter wirkte die Kneipe von damals fast wie eine Klosterzelle;-)
Und weil jegliche Reize fehlten, war der Mensch auf seine eigene Phantasie und Können angewiesen, was die Unterhaltung betraf. Feiern ging immer. Ob runde Geburtstage, goldene Hochzeiten oder die Trauerfeier im Hinterzimmer; der Wirt mit seiner Bedienung war auf alle Eventualitäten vorbereitet und steuerte neben Bier und Korn Berge von geschmierten Mettbrötchen zur Feierlichkeit bei. Statt der Jukebox holte jemand sein Akkordeon hervor und die Anwesenden sangen dazu. Um zu erleben, gestalteten die Gäste selbst, anstatt zu konsumieren.
Und das ist ein Grund, warum schon lange vor Corona die Hochzeiten des Kneipenlebens vorbei sind. Und die des frühen Schoppens anscheinend auch. Weil die Füße des Gastes sich entschieden haben, andere (bessere?) Orte aufzusuchen. Ruhe in Frieden, lieber Frühschoppen.
Mein Opa bestellte in der Eckkneipe immer ein “ Gedeck“. Unter einem Gedeck verstand der Wirt ein Pils und zum Nachtisch einen Korn . Wir Rotzlöffel wurden ermahnt gerade zu sitzen . Erst dann durften wir die Zitronenbrause trinken ,-)