Draußen war es noch dämmrig und kühl. Leise schmatzte das Wasser an der Kaimauer vor dem Düsseldorfer Schlossturm. Über der Nebeldecke, die über den Rhein hing, drang der dunkle Qualm der Schlepper hervor, die zu beiden Seiten den Fluss entlang tuckerten.
Das Douven Haus vor dem Gang christlicher Märtyrer.
Eigentlich gab es immer, wenn die vierjährigen Zwillinge Luise und Mia sonntags zu den Großeltern gingen, etwas Interessantes zu sehen. Denn Oma und Opa Thielen wohnten in der ältesten Straße Düsseldorfs. Dort, in der sogenannten Altestadt/Ecke Krämerstr, direkt an der Lambertuskirche und dem Haus „Zur Stadt Rom“ klebend, stand das sogenannte „Douven`sche Haus“. Der 70 Meter hohe Turm der Lambertuskirche, dem ältesten Bauwerk Düsseldorfs war heute allerdings dank des Nebels nur schemenhaft zu erkennen, so wie das gegenüberliegende Kloster der Karmeliterinnen. Die Mädchen waren froh darüber, nicht auch die davorstehende Kreuzigungsgruppe an der Westseite der Lambertuskirche sehen zu müssen, die sie sonst immer in Angst und Schrecken versetzte.




Das Douvenhaus – eine Perle des Frühklassizismus
Das Douven`sche Haus war nicht irgendein Haus. Sondern, wie der Düsseldorfer Architekt Paul Sültenfuß (1872-1937) behauptet, eines der vornehmsten Häuser Düsseldorfs. Jetzt, im Jahre 1939 konnte das im frühklassizistischen Stil (oder auch holländische Klassizismus) errichtete Backsteingebäude bereits auf eine bewegte Geschichte zurückblicken.
Herzog Jan Wellem als Gönner für seine Künstler
Schuld daran war Johann Wilhelm II, Herzog von Jülich und Berg, von den Düsseldorfer liebevoll „Jan Wellem“ genannt. Jan Wellem war ein ausgewiesener Kunstkenner und Mäzen, der eine Vorliebe für die holländischen Künstler besaß. 1713 ließ er für seinen hochgeschätzten „Cabinetsmaler“ Jan Frans van Douven ein zweistöckiges Wohnhaus auf der Ruine des „Jonker Schöller Haus“ errichten. Ewiges Glück war dem Maler mit seiner Frau in ihrem Heim nicht beschieden. 1740 musste der, vom Herzog zum Ritter geschlagene Hofmaler, es bereits wieder wegen Schulden verkaufen. Es geriet in mehrere Hände; 1870 wurde es von Peter Bornheim in eine Bierbrauerei verwandelt, zuletzt betrieben von Wilhelm Aschenbroich, bei dem sogar Düsseldorfer Literaten wie Hermann Harry Schmitz verkehrt haben sollen.
Kochwäsche statt Kneipe
Doch jetzt, im Jahre 1939, schien es mit den aufregenden Zeiten vorbei. Denn in dem Douvenhaus roch es schon lange nicht mehr nach Bier. Stattdessen wehte schon an der Tür die Kinder der Geruch von Seifenlauge um die Nase. Noch bevor sie die lange Treppe in den ersten Stock erklommen, wussten sie auch schon, dass wieder einmal die sonntägliche Kochwäsche in einem Topf auf dem Herd brodelte.
Warum die Großmutter nie eine kräftigte Rindfleischsuppe oder einen Gemüseeintopf kochte, wie die andere Oma, blieb die Enkelinnen bis heute ein Rätsel. Denn die Großmutter unterhielt einen Obst- und Gemüsestand vor dem Düsseldorfer Rathaus, kam also günstig an das Grünzeug heran. Während der Großvater ein höflicher Mann war, der seine Schwiegertochter bis zuletzt siezte, schien die Großmutter mit dem, was sie besaß, zu geizen.
Schlepper mit Lastkähnen aus der Vogelperspektive
Aber wenigstens konnten die Zwillinge sonst vom ersten Stock aus auf den Rhein schauen, wo sie sich ein Spaß daraus, den Inhalt der Lastkähne zu erraten, die wie ein Tandem hinter den Schleppern her zog. Doch diesmal konnten sie nur erahnen, ob sie mit Sand, Kohle oder Holz beladen waren. Im Winter trieben Eisschollen auf dem Wasser, die, herausgehackt und zersägt, als Kühlung für Lebensmittel im Keller des Douvenhaus genutzt wurden.

Die Bombennächte im 2. Weltkrieg zertrümmern Menschen, Haus , Geschichte
Lange konnten die Kinder das Wohnhaus ihrer Großeltern nicht mehr genießen. Die schweren Luftangriffe im 2. Weltkrieg machten auch vor Düsseldorf nicht halt. Britische Bomber verwandelten 1943 weite Teile der Altstadt in ein Trümmerfeld. Das Douvenhaus hielt dennoch stand. Erst bei der Sprengung eines Blindgängers am Rheinwerft wurde es zusammen mit dem Haus „Zur Stadt Rom“ so stark beschädigt, dass Steine und mit ihm sämtliche Historie in sich zusammenfielen. Der Großvater erlebte die Luftangriffe nicht mehr, er starb schon im Januar 1943. Seine Frau zog zu ihrem Sohn nach Pempelfort in die Gneisenaustr. Heute gibt es weder Krämerstraße noch die die Altestadt. Stattdessen (zukunftsweisend) an derselben Stelle ein Wohnhaus nebst Jugendzentrum. Und uns bleiben Erinnerungen, alte Bilder und eine Menge Phantasie.
Herzlichen Dank an Luise Therhardt (geborene Thielen), die ihre Erinnerungen zur Verfügung gestellt hat.

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